Zwischen den größeren Küstenstädten, der türkischen Ägeis-Küste, am Rande der großen Durchfahrtsstrassen, sind innerhalb der letzten Jahre Siedlungen entstanden, deren Struktur und Aussehen für die Türkei völlig neu waren und sind. Große Wohnblöcke sind kreisförmig um eine Art Park herum gebaut, in dem sich große Swimmingpools, Begegnungsstätten, Restaurants, Bars, Supermärkte, Dienstleister usw. befinden. Die Balkone der Wohnungen sind alle auf dieses künstlich angelegte Zentrum ausgerichtet, dem Umland haben die Bewohner den Rücken zugekehrt. Es ist schwer, in diese Siedlungen zu gelangen: Der private Wachschutz am einzigen Eingangstor verlangt Pass, eine persönliche Einladung von einem der Bewohner und stattet den Besucher mit einer Art Meldezettel aus. Man wird von demjenigen, den man besuchen möchte, am Tor abgeholt, nachdem er von den Wachschutzleuten ausgerufen worden ist. In diesen Siedlungen leben zumeist Türken, die viele Jahre im Ausland, und hier besonders in der Bundesrepublik, gearbeitet haben. Jahrelang haben sie alles gespart, in kleinen Wohnungen gelebt, ihr Geld sicher angelegt, um jetzt das ausgesetzte Leben zu genießen. So richtig zurück in die Türkei sind sie nicht mehr gekommen – zu viel lag dazwischen. So sitzen sie auf ihren Balkons, am Swimmingpool, am Abend im Restaurant. Sie sind unter sich geblieben, die Zurückkehrer. Abgewandt vom türkischen Alltag. „Meeresblick 1+2“, „Flamingo 1-8“, „Oase“, „Paradies“ – Die Namen der Siedlungen tragen schon das abgewandte und geschlossene in sich. Die Menschen, die Rückkehrer, oft mehr als 20 Jahre Arbeit in der Bundesrepublik in den Knochen, wollten eigentlich zurück, in eine Türkei, wie sie war, oder wie sie sein sollte, damals, als sie sie verlassen haben. Eine Türkei, wie sie sie in Postkarten und Liedern aufbewahrt hatten. Jetzt sind sie zurück und diese Türkei ist verschwunden. Jetzt wohnen sie in den anonymen, modernen Siedlungen. An der Wand im Salon Erinnerungen an deutsche Fremde: Eine Postkarte mit Freibad und Rathaus und Kreissparkasse irgendeiner hessischen Kleinstadt.
Erscheinungstermin: 2006
Produktion: Harun Farocki Filmproduktion
FSK: 0